Fowles‘ Lektüren
Hier werden fortlaufend bisher wenig zugängliche, im deutschen Sprachraum kaum bekannte Bücher, Aufsätze und andere Lektüren vorgestellt, die Fowles nach eigenem Bekunden besonders interessiert und in seinen Werken mehr oder weniger Niederschlag gefunden haben; dies nach Möglichkeit mit Inhaltsangaben, kurzen Einführungen, Fowles‘ etwaigen verstreuten Kommentaren und Fundstellen.
Richard Jefferies, Bevis: The Story of a Boy, 1882
Die Lektüre dieses Kinder- und Jugendromans, den es wohl nie auf Deutsch gab, hat Fowles seine ganze Kindheit und Jugend hindurch beschäftigt und sein Verhältnis zur Natur, zur Literatur, zu Imagination und Mysterium stark geprägt. Das Buch beschreibt die Phantasieabenteuer zweier Jungen in der Natur. – Fowles‘ stets überschwängliche Kommentare dazu finden sich in seinen Tagebüchern, in Essays, in der Biografie von Eileen Warburton und in seinem Vorwort zur revidierten Ausgabe von The Magus.
Einige Kapitel daraus, die im Manuskript auf Deutsch vorliegen, können wir Interessenten gerne zur Verfügung stellen; fragen Sie bitte unter Kontakt an.
Hier ein charakteristisches Beispiel aus Kapitel 6 „ZENTRALAFRIKA“ (= Bevis‘ Phantasie-Afrika hinter dem Bauernhof seiner Eltern in Südengland (!)):
„Sie lauschten. Der Wald war stumm; so stumm, dass sie eine Motte oder einen Käfer hören konnten, jedenfalls hatte sich etwas im Blätterwerk der Eiche verfangen und mühte sich ab, wieder herauszukommen. Die Jungen blickten nach oben, der Himmel war blau und klar, und das Sonnenlicht erhellte die ‚Lichtung‘ an ihrem kleinen Wasserlauf. Zu hören war nichts als das Summen. An diesen langen, langen Sommertagen schienen die Sinne der Menschen allmählich etwas Ungewöhnliches zu erwarten, ja sich darauf einzustellen. Denn was kann aus solch einer Prachtentfaltung von Licht – bei der die Erde sich spürbar in der Mitte eines unermesslichen, erleuchteten Weltraums befindet – nicht noch alles kommen? Vielleicht etwas mehr, als den Sinnen vertraut ist. Die Seele öffnet sich zunehmend mit jedem länger werdenden Tag.
Man sagt, dass die Sandhügel der Wüste in der Mittagshitze seltsame Klänge verströmen; die Täler im Gebirge seien der Sprache mächtig; auch im tiefsten urzeitlichen Wald führe dieser Gespräche; die Tiefsee entsende bei Windstille an die Schiffe ein Brummen; und oben auf den Bergen würden die zurückgehaltenen Worte freigelassen. In alter Zeit begegneten die Jäger in unsern Wäldern unter dem laubverhangenen Firmament dem Mittagsgeist.
Bevis und Mark lauschten, hörten aber nichts als das Sommersummen.“
(Übersetzung M. L.)
Demnächst für diese Rubrik vorgesehen:
Gilbert Rose, "The French Lieutenant’s Woman: The Unconscious Significance of a Novel to its Author", in: American Imago 29/1972. Diese Besprechung von Fowles’ bekanntestem Roman durch den Psychoanalytiker Gilbert Rose ist eine der wenigen Kritiken zu seinen Büchern, die Fowles je wirklich beachtet, ernst genommen und eingehend kommentiert hat. An vielen Stellen kommt er immer wieder darauf zurück, in Tagebüchern und in Essays (wiederabgedruckt in Wormholes, 1999). Er bestätigt darin im Wesentlichen Roses These, dass es sich bei dem Roman auch um ein Bearbeiten von Fowles‘ Mutterbeziehung handele.